Heute sitze ich hier und es fällt mir schwer, Worte zu finden, die das ausdrücken können, was ich fühle.
Innerhalb kurzer Zeit habe ich erlebt, wie Menschen plötzlich aus dem Leben gerissen wurden. Ich fühle die unendliche Trauer der Menschen die zurückbleiben, weil sie mich an einen Tag in meinem Leben erinnern, als mir das auch passiert ist. In diesem ersten Moment des Abschieds spielt es keine Rolle, ob der Mensch, der aus unserem Leben gerissen wird, sehr lange bei uns war oder ob ein Leben nie beginnen durfte. Wenn eine Herzensverbindung abrupt reist, tut das in jeder Faser der Seele und des Körpers weh.
Gleichzeitig überkommt mich dieses Gefühl, dass wir Menschen allzu oft vergessen, dass jeder Moment, so unbedeutend er auch scheinen mag, der Letzte sein kann. Diese kleinen Momente aber sind es letztendlich, an die wir uns erinnern. Meist wissen wir nicht, wann wir etwas zum letzten Mal tun oder wir einen lieben Menschen das letzte Mal lachen sehen. Erst in dem Bewusstsein, dass es wirklich das letzte Mal war, wird uns klar, was wir verloren haben. Möglicherweise auch, dass wir etwas nicht mehr nachholen können. Ein klärendes Gespräch, ein liebes Wort, …
Letzte Male können auch etwas anderes als den Tod bedeuten und dennoch sind es einschneidende Erlebnisse die schmerzen können oder große Veränderung mit sich bringen. Ein lieber Freund der wegzieht, oder den man aus den Augen verliert weil sich Lebenswege einfach manchmal trennen. Eine Beziehung die scheitert. Eine Fähigkeit die wir einmal gelernt haben und plötzlich nicht mehr ausführen können. Ein letztes Mal, ist eine Herausforderung der wir uns in unserem Leben immer wieder stellen müssen.
Das Gedicht „Das letzte Mal“ habe ich schon letztes Jahr geschrieben. Damals wurde mir durch verschiedene Dinge, die in meinem Umfeld passiert sind, etwas noch mehr bewusst. Ich habe verstanden, wie wichtig dieses „letzte Mal“ sein kann. Denn das ist es, was uns am Ende bleibt.
Eine Erinnerung an diesen letzten Moment. Eine Erinnerung daran, wie kostbar das Leben ist. Eine Erinnerung daran, das jeder Moment der letzte sein kann. Eine Erinnerung daran, ob wir wollen oder nicht, mit jedem letzten Mal immer etwas Neues beginnt.
Das letzte Mal
Ich bin das letzte Mal. Ich bin so viel, für jeden anderes und doch auch gleich. Wenn ich da war, fühlte man sich vorher oftmals reich. Was du hast, ist dir nur geliehen für eine Zeit, und die umfasst nicht die Unendlichkeit. Du kannst mich an vielen Orten finden. Du wirst dich, um mir zu entfliehen, manchmal wie eine Schlange winden. Vielleicht denkst du auch, endlich bist du da und du sagst zu etwas Neuem endlich ja. Manchmal viel zu früh, manchmal bewusst, manchmal nie gedacht, manchmal herbeigesehnt, manchmal endlich angebracht. Ein letztes Mal, die Hand eines geliebten Menschen halten. Ein letztes Mal, Worte sagen, die nur einer Person galten. Ein letztes Mal, einen Weg gehen, der viele Jahre täglich zu gehen war. Ein letztes Mal, Schlittenfahren im Januar. Ein letztes Mal, hören dass dich jemand liebt. Ein letztes Mal, dass man über den Wolken fliegt. Ein letztes Mal, zusammen eingeschlafen und aufgewacht. Ein letztes Mal, zusammen gelacht. Ein letztes Mal, die Zähne zusammenbeißen. Ein letztes Mal, zusammen verreisen. Ein letztes Mal, am Ort der Träume, den Sonnenuntergang genießen. Ein letztes Mal, lässt du Tränen fließen. Ein letztes Mal, den Müll rausbringen. Ein letztes Mal, hört man die vertraute Stimme klingen. Ein letztes Mal, streiten. Ein letztes Mal, Schmerzen erleiden. Ein letztes Mal, fühlt man die Wärme der Haut eines geliebten Menschen. Ein letztes Mal, gehst du über Grenzen. Ein letztes Mal, zusammen Essen. Ein letztes Mal, die Zeit vergessen. Ein letztes Mal, über einen schlechten Witz lachen. Ein letztes Mal, zusammen Späße machen. Ein letztes Mal, die Füße auf dem feuchten Gras spüren. Ein letztes Mal, was auch immer zu probieren. Ein letztes Mal, von Herzen lieben. Ein letztes Mal, die Angst besiegen. Ein letztes Mal, spielt das Lieblingslied. Ein letztes Mal, ist immer ein Abschied. Ich bin das letzte Mal, wenn ich da war, ist nichts mehr, wie es war doch eines ist, ganz klar. Wenn ich auch oft sehr traurig klinge, ist es auch eine Botschaft, die ich überbringe. Lebe dein Leben heute und nicht morgen, schieb sie öfter mal beiseite deine Sorgen. Es ist in mir auch immer ein Anfang verborgen, eine leise Hoffnung für morgen. Dieser neue Weg ist meist nicht leicht, weil er dem alten Weg, auf keine Weise gleicht. Doch in jedem letzten Mal, da bin ich radikal, verbirgt sich auch für jemanden immer, ein erstes Mal. © Sonja Höhn, im Februar 2024
Das Gedicht handelt von Abschied, und gleichzeitig ist es eine Erinnerung an das Leben. Denn in jedem Anfang und Ende, Leben und Tod, Abschied und Neubeginn, geht es letztendlich darum, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Den Moment zu schätzen und das Beste aus dem zu machen, was das Leben für uns bereithält.
In liebevoller Erinnerung an den ersten und gleichzeitig letzten Moment, mit meinem Sohn Jonas * 25.02.2004 †