Das kleine Glück war den ganzen Tag in der Stadt unterwegs gewesen.
Als es nun Nachmittag wurde, war es richtig frustriert. Niemand in dieser großen Stadt hatte es wahrgenommen. Alle Menschen, denen das kleine Glück begegnete, nahmen es gar nicht wahr oder fanden die Dinge selbstverständlich. Was war nur mit den Menschen los? Alle hasteten durch ihren Tag und waren gar nicht mehr in der Lage, diese kleinen Glücksmomente, die es in jedem Leben gibt, zu erkennen.
Viele suchten nach diesem großen Glück, von dem es schon gehört hatte. Das kleine Glück hatte aber gelernt, wenn die Menschen diese kleinen Momente nicht wahrnehmen konnten, waren sie auch nicht bereit, wenn das große Glück vor der Tür stand.
Dabei hatte das kleine Glück sich heute so viel Mühe gegeben. Es hatte sich viele verschieden schöne Glücksmomente ausgedacht.
Ein Sonnenstrahl, der den langen Fußweg nach Hause ein bisschen heller macht.
Ein freier Parkplatz direkt vor dem Lieblingsgeschäft.
Die warme Dusche am Morgen.
Die Verkäuferin, die trotz Ladenschluss noch ein Brot verkauft hatte.
So viele wunderbare kleine Glücksmomente, die es wertzuschätzen galt.
Oder die Welt mit allen Sinnen erfahren können, sehen, hören, riechen…das war es, was das kleine Glück ganz besonders wertschätzte, denn diese Dinge waren nicht selbstverständlich und erst wenn sie nicht mehr möglich waren, merkten die Menschen, wie wertvoll diese waren.
Das kleine Glück überlegte, was es nur falsch machte, dass die Menschen diese kleinen Momente des Glücks nicht mehr spüren konnten.
Und dann gab es ja noch die Spezialaufträge des Glücksministers. Er schickte das kleine Glück immer wieder los, um zu testen, ob die Menschen bereit waren für ihr eigenes großes Glück.
Einer jungen Frau schickte es einen leckeren Cappuccino von einem Arbeitskollegen vorbei, der in der Pause an sie gedacht hatte. Sie nahm ihn und trank ihn auch, aber die liebevollen Augen, mit denen ihr Arbeitskollege sie ansah, konnte sie vor lauter Stress und Aktenbergen nicht sehen.
Bei einem Mann, der eine neue, größere Wohnung suchte, hatte es sich richtig ins Zeug gelegt. Denn er brauchte dringend eine größere Wohnung, weil in drei Wochen sein zweites Kind zur Welt kommen sollte. Es hatte durch einen Windstoß dafür gesorgt, dass eine Zeitung vom Vortag auf seinem Auto gelandet war. Zusätzlich noch ein ganz kleiner Regen, dass sie nicht wieder wegfliegen konnte. Perfekt! Als der Mann an seinem Auto ankam, war er aber gar nicht erfreut über die Zeitung, die auf seiner Autoscheibe klebte. Er wurde richtig wütend und zog die Zeitung, ohne sie eines Blickes zu würdigen von der Scheibe und warf sie auf die Straße.
Das kleine Glück war richtig frustriert, weil es seinen Auftrag heute wieder nicht ausgeführt hatte und setzte sich im Park auf eine Bank. Bestimmt würde es bald eine Abmahnung vom Glücksminister bekommen. Als es so vor sich hin grübelte, setzte sich das große Glück neben das kleine Glück und fragte: „Was ist los? Warum bist du so traurig?“ „Die Menschen laufen durch ihr Leben und bemerken mich nicht und gleichzeitig sind sie die ganze Zeit auf der Suche nach dir!“ jammerte das kleine Glück.
„Ich verstehe“, sagte das große Glück, „sie übersehen dich, weil sie auf mich hoffen und blind für deine zarten Botschaften sind!“ „Aber wenn sie dich nicht mehr wahrnehmen, werde ich irgendwann arbeitslos!“ flüsterte das große Glück. „Sie denken immer, dass ich in Form eines Lottogewinns oder etwas in der Art daherkomme. Das ist gar nicht so. Lotto mache ich nur zweimal im Jahr. Die restliche Zeit arbeite ich mit den Menschen, bei denen du die Vorarbeit geleistet hast.“
„Bei der jungen Frau heute Morgen weiß ich, dass sie sich einen Partner und eine Familie wünscht. Wenn sie aber die kleinen Momente, in denen ich durch dich anklopfe, nicht bemerkt, wie soll das funktionieren?“ dachte das große Glück laut nach.
So saßen die beiden ganz unglücklich nebeneinander, was so gar nicht ihrem Naturell entsprach und taten sich selbst ein bisschen leid.
Da kam die Achtsamkeit vorbei und wunderte sich, dass die beiden wie verwelkte Kleeblätter aussahen. „Was ist denn mit euch los? Das Unglück hab ich heute auch schon getroffen. Das sah besser aus als ihr beide!“ lachte die Achtsamkeit.
„Wir werden bald arbeitslos!“ beklagten sich die beiden und erzählten der Achtsamkeit von ihrem Problem.
„Wie gut, dass ich euch heute hier getroffen habe. Ich glaube ich kann euch helfen!“ freute sich die Achtsamkeit.
„Kleines Glück, morgen wirst du genau das gleiche wie heute noch einmal tun und ich werde dich dabei begleiten. Großes Glück, du hältst dich bereit. Ich bin mir sicher, dass ihr morgen Abend bessere Laune haben werdet.“ Da die beiden nichts zu verlieren hatten, stimmten sie zu und verabredeten sich für den nächsten Tag.
Am nächsten Morgen war das kleine Glück sehr aufgeregt. Es hatte sich mit der Achtsamkeit bei dem Arbeitskollegen der jungen Frau verabredet. Dieser war vom Vortag noch ein bisschen geknickt, weil seine Arbeitskollegin ihn gar nicht richtig wahrgenommen hatte. Aber irgendwie spürte er ein Kribbeln in sich, es heute noch einmal zu versuchen. Schon so lange wollte er sich mit seiner Kollegin verabreden und irgendwie war sie immer viel zu beschäftigt, um die kleinen Aufmerksamkeiten, die er immer wieder für sie hatte, zu bemerken. So brachte er heute noch einmal den Mut auf und brachte ihr aus seiner Pause wieder einen Cappuccino mit.
Die Achtsamkeit setzte sich neben die junge Frau. Als ihr Kollege den Cappuccino auf ihren Schreibtisch stellte, nahm sie das erste Mal seit Wochen wahr, wie nett ihr Kollege war und machte eine kleine Pause, um sich mit ihm zu unterhalten. Nach kurzer Zeit merkten die Beiden, wie sich ein zartes Band zwischen ihnen entwickelte.
Die Achtsamkeit stupste das kleine Glück an und lachte.
Als nächstes machten sie sich auf den Weg zu dem Mann, der dringend eine Wohnung suchte. „Ich denke“, sagte die Achtsamkeit, „das mit dem Regen lassen wir heute. Vielleicht genügt es, wenn die Zeitung nur auf dem Auto liegt!“ „Na gut“, schmunzelte das kleine Glück, „vielleicht war das tatsächlich ein bisschen zu viel!“
Als der Mann nach der Arbeit zu seinem Auto lief, sah er schon von weitem, dass wieder eine Zeitung auf seinem Auto lag. Die Achtsamkeit ging ein Stück neben ihm und als er am Auto angekommen war, warf er die Zeitung nicht so achtlos wie gestern auf die Straße. Irgendwie fühlte er heute, dass die Zeitung wichtig für ihn war und blätterte kurz darin. Sofort fiel ihm die Anzeige der 5-Zimmer- Wohnung ins Auge und er rief den Vermieter an, mit dem er kurze Zeit später einen Termin vereinbarte.
Wieder stupste die Achtsamkeit das kleine Glück an und lächelte. Das kleine Glück konnte seine Freude nicht mehr zurückhalten und sprang vergnügt hin und her. Das große Glück, das die beiden die ganze Zeit beobachtet hatte, spürte schon in sich, dass es bald etwas zu tun gab und freute sich. Es rief den beiden zu: „So sind wir ein perfektes Team! Ich werde einen Antrag beim Glücksminister stellen, dass uns die Achtsamkeit eine Zeit lang begleiten kann!“
Als die drei am Abend wieder auf der Parkbank zusammensaßen, waren alle sehr zufrieden mit ihrer Arbeit. Da meinte das kleine Glück nachdenklich: „Das größte Glück ist nichts wert, wenn man nicht spürt, dass es direkt vor einem liegt. Ich danke dir, Achtsamkeit, dass du mich das heute gelehrt hast!“
Von Herzen alles Liebe
„Think happy, be happy!“
Sonja