Die kleine Weihnachtskerze
Mit Liebe geschrieben von Sonja Höhn
Es war der 24. Dezember.
Die kleine Weihnachtskerze am Christbaum freut sich schon auf den Abend, wenn endlich die Menschen um den Baum stehen würden.
Sie freut sich auf die leuchtenden Augen der Kinder und die liebevollen Blicke der Eltern.
„Ich freu mich so auf heute Abend“, rief sie. „Endlich kann ich mein Licht weitergeben!“ Die anderen Kerzen auf dem Weihnachtsbaum waren still oder murrten vor sich hin. Die alte Weihnachtskugel der Großmutter sagte: „In den letzten Jahren habe ich keinen Menschen mehr gesehen, der euer Licht weitergetragen hat!“
„Aber warum nicht? Das ist doch das Wunder der Weihnachtszeit? Unser Licht erhellt die Seelen der Menschen und bringt ihr Herz zum Leuchten und sie tragen dieses Licht dann weiter.“
Die alte Weihnachtskugel sah die kleine Kerze an, „Ja, das ist das Weihnachtswunder, aber die Menschen haben vergessen, was es bedeutet, dieses Licht weiterzutragen, weil dein Leuchten ihre Herzen nicht mehr erreicht.“
Sie sind müde von den Sorgen des Alltags oder gar nicht richtig hier bei uns, weil sie in Gedanken schon wieder bei der Arbeit oder anderen vermeintlich wichtigen Dingen sind. Sie haben vergessen, den Moment zu genießen.“
Die kleine Weihnachtskerze wurde sehr nachdenklich. „Aber dann brenne ich ja völlig sinnlos herunter! Ich will, dass mein Schein, auch wenn meine Flamme erloschen ist, in den Herzen weiter leuchtet. Ich muss etwas unternehmen!“ rief sie der alten Weihnachtskugel zu.
Die schaute sie nur verständnislos an. „Was soll das denn sein, ich habe keine Kerze gesehen, die das in den letzten Jahren geschafft hat und da waren wesentlich prächtigere Kerzen dabei als du es bist.“
„Ich schaffe das“ entgegnete sie trotzig.
Die kleine Kerze überlegte sich, was sie nun tun könnte. Sie war sich bewusst, dass sie ehr klein geraten war. Aber sie dachte nach und entschied, dass Größe niemals darüber entscheiden konnte, ob ihr Leuchten weitergetragen wurde. Sie musste einen anderen Weg finden.
Sie überlegte den ganzen Nachmittag, was zu tun wäre, aber es wollte ihr nichts einfallen.
Kurz überlegte sie ihre Flamme so hoch anwachsen zu lassen, dass sie die Äste des Weihnachtsbaums erreicht. Dieses Leuchten musste doch dann die Menschen erreichen. Aber im Ehrenkodex der Weihnachtskerzen steht ganz klar, dass die Flamme niemals den Weihnachtsbaum erreichen darf.
Der Abend kam und die kleine Kerze war keinen Schritt weitergekommen. Sie wurde ganz traurig.
Sie sah aus dem Fenster und am dunklen Nachthimmel sah sie die Sterne am Himmel funkeln. Einer fiel ihr besonders ins Auge, weil er viel heller leuchtete als die anderen. Plötzlich wusste sie, was zu tun war. Noch nie vorher hatte eine Kerze das probiert, was sie vorhatte, aber es war ihr egal. Sie würde alles dafür tun, um das Leuchten in die Herzen der Menschen zurückzubringen.
Als nun die Mutter ins Wohnzimmer kam, um die Kerzen zu entzünden, war die kleine Kerze ganz aufgeregt und sie konnte es kaum erwarten, bis ihr Docht mit dem Feuer des Streichholzes entzündet wurde. Bald war es so weit. Die Mutter läutete das Glöckchen und die Kinder mit dem Vater betraten den Raum.
Vor lauter Aufregung fing die kleine Kerze an zu schwitzen, sie hatte schon Angst, dass ihre Flamme erlöschen würde, bevor sie ihren Plan in die Tat umsetzen konnte.
Die Familie sang ein Weihnachtslied und schon wollten die Kinder ihre Geschenke auspacken. Keiner achtete auf die Kerzen am Baum, die sich anstrengten, die leuchten und strahlten.
Nur das kleinste Kind, die kleine Frieda mit ihren 2 Jahren, sah gebannt auf die Kerzen am Baum. Nichts schien ihr wichtiger zu sein, als diesen warmen Schimmer einzufangen.
Nun war die Zeit der kleinen Kerze gekommen. Ihre Flamme strahlte am Weihnachtsbaum heller als alle anderen Kerzen. Ein Funkeln ging von ihr aus, wie es vorher noch nie einer Kerze gelungen war.
Es lag ein magischer Zauber in der Luft.
Die kleine Frieda sah gebannt auf den Weihnachtsbaum und die kleine Kerze.
In ihren Augen spiegelte sich der wunderschöne Schein der Kerze.
Ihre Augen begannen zu strahlen und in diesem Moment wusste die kleine Kerze, dass Friedas Herz vor Freude hüpfte und strahlte.
Frieda zupfte ihren Vater am Arm und sah ihm in die Augen und in dem Moment als er das Funkeln in Friedas Augen entdeckte, sah auch er zu der kleinen Kerze am Baum, die vor Freude noch mehr zu funkeln begann.
Noch nie zuvor hatte er so etwas gesehen und er spürte wie Ruhe und Frieden in seinem Herzen einkehrte. Leise, so als hätte er Angst, die Flamme würde erlöschen, flüsterte er:
„Seht nur, die kleine Kerze, wie wunderschön sie funkelt!“
Seine Frau und Friedas Geschwister blickten auf und entdeckten nun auch die kleine Kerze am Weihnachtsbaum. Weil nun alle Blicke auf sie gerichtet waren, freute sich die kleine Kerze so sehr, dass sie sich noch mehr anstrengte, um alle Menschen mit ihrem Leuchten zu erreichen. Kleine Funken, wie kleine Sterne strahlten um die kleine Kerze.
Die anderen Kerzen und die alte Weihnachtskugel konnten gar nicht glauben, was dort passierte.
Und doch, die Menschenaugen leuchteten und wenn das passierte, fing auch das Herz und die Seele wieder an zu strahlen. Eine nach der anderen Kerze fing nun an, es zu probieren, wie die kleine Kerze zu funkeln. Erst zaghaft, doch bald schafften es immer mehr Kerzen, genauso zu funkeln die die kleine Kerze.
Die Familie stand gebannt vor ihrem Weihnachtsbaum und konnte nicht fassen, was dort passierte.
Ihre Herzen jedoch füllten sich mit dem Licht der Kerzen und dieses Licht würden sie nun hinaus in die Welt tragen.
„Ich hatte geglaubt, dass es für mich kein Weihnachtswunder mehr gibt,“ flüsterte die Mutter voller Rührung. „Heute Abend habe ich wieder in mir gespürt, was Weihnachten wirklich ist. Weihnachten ist die Zeit für Wunder, Liebe und Licht.“
Die kleine Kerze auf dem Weihnachtsbaum war so voller Freude. Sie hatte geschafft was niemand für möglich gehalten hatte. Als ihr Licht am späten Abend verlosch, wusste sie, dass sie alles richtig gemacht hatte. Sie hatte an sich geglaubt, ihr Licht erstrahlen lassen und dadurch die Herzen um sie herum auch zum Leuchten gebracht.
Ist es nicht das, was wir uns alle zu Weihnachten wünschen, Licht in unseren Herzen? Ein Licht, das uns durch dunkle Tage trägt? Vielleicht auch einen kleinen Funken dieses Lichts, wenn wir uns alleine fühlen. Licht, das uns durch unser Leben begleitet.
Eigentlich kann dieses Licht alles sein, was uns Menschen näher zusammenrücken lässt, uns achtsam und mitfühlend werden lässt, für uns selbst und unsere Mitmenschen. Denn jeder noch so kleine freundliche Funke findet irgendwo da draußen ein Herz, das sich nach Licht sehnt.
So schließt sich der Kreis. Es beginnt bei mir. Mit dem Glauben an das eigene Licht, dass in jedem von uns strahlt. Wenn ich nun mein Licht, mit Liebe und Mitgefühl entfache und hell erstrahlen lasse, schenke ich anderen Menschen den Funken, den sie vielleicht gerade nicht in sich finden können.
Ich wünsche dir wunderschöne Weihnachtstage voller Licht im Herzen.
Alles Liebe
Sonja